Der Karbonwald
Ein Leuchtturmprojekt für das Museum
Mit dem Karbonwald in unserer neuen Dauerausstellung haben wir ein einmaliges Diorama geschaffen, mit dem wir sowohl erdgeschichtlich wissenswerte Erkenntnisse als auch zukunftsrelevante Themen vermitteln können.
Durch die Nähe zum Osnabrücker Piesberg und die teilweise weltweit einmaligen Fossilienfunde konnten wir den Wald so authentisch wie möglich gestalten und sowohl Pflanzen als auch Tiere aus der Zeit des Karbons nachbilden.
Die Realisierung des Karbonwaldes wurde dem Museum am Schölerberg durch die Deutsche Bundesstiftung Umwelt (DBU) ermöglicht. Gemeinsam verfolgen wir das Ziel, den Besucherinnen und Besuchern durch einen Blick in die Erdgeschichte die Augen für den aktuellen Klimawandel zu öffnen und den Umgang mit fossilen Energieträgern zu reflektieren.
Der Karbonwald
Die Periode des Karbon war das Erdzeitalter der großen Wälder. Vor allem in tropischen Breiten bedeckten ab dem Ende des frühen Karbon (Mississippium) bedeckten dichte Regen- und Sumpfwälder weite Teile der Kontinente. Auch das Gebiet des heutigen Osnabrück, das damals nur wenige Grad nördliche des Äquators lag, war von Sumpfwald bedeckt.
Während dieser Zeit befand sich die Erde in einem langen Eiszeitalter. Wie in jedem Eiszeitalter schwankte das Klima in Rhythmen von mehreren Jahrtausenden zwischen Warm- und Kaltzeiten, was schwankende Meeresspiegel mit sich brachte. Die zyklisch steigenden Meeresspiegel führten zu einer Überflutung und Bedeckung der Wälder mit Sediment. Im Laufe von Jahrmillionen wurden die eingebetteten Wälder durch zunehmenden Auflastdruck und Temperatur langsam zu dem umgewandelt, was wir heute als Steinkohle kennen.
Hier in Osnabrück haben wir mit dem Piesberg eine Fossilfundstätte aus der Zeit des Späten Karbon (Pennsylvanium). Zusammen mit der Steinkohle, die am Piesberg abgebaut wurde, kamen und kommen auch heute noch fossilführende Ablagerungen ehemaliger Sumpfgewässer und sogar eines großen Sees zu Tage. In diesen Ablagerungen finden wir Reste der Pflanzen, die die urzeitlichen Regenwälder aufbauten, so wie unser in Europa fast einmaliges Wurzelorgan einer Sigillaria, eines sogenannten Siegelbaums.
Auch Reste von Tieren wurden am Piesberg gefunden, so zum Beispiel Fossilien von zwei Meter langen Riesentausendfüßern, von seltenen Rieseninsekten, Skorpionen und urtümlichen Spinnen. Einige dieser Tierarten sind bis jetzt weltweit nur vom Piesberg bekannt. Doch auch von über 20 weiteren Arten stammen die Holotypen vom Piesberg, die nun Teil der Sammlung des Museums am Schölerberg sind. Auch die Ablagerungen eines Sees aus dieser Zeit sind für Deutschland einmalig, vor allem durch die körperliche Erhaltung von Wirbeltierresten wie Zähnen und Flossenstacheln von Knorpelfischen und Knochenelementen und Schmelzschuppen von Knochenfischen.
Was wir vom Karbonwald lernen können
Das Klima im Späten Karbon war dem der letzten 3 Millionen Jahre sehr ähnlich. Dies kann anhand typischer Gesteinsabfolgen rekonstruiert werden. Am Ende des Karbon, vor 305 Millionen Jahren, begann das Klima sich drastisch zu verändern: Die Gletscher, die bis dahin den Südpol bedeckt hatten, begannen abzuschmelzen, es wurde viel trockener und vermutlich auch wärmer. Auch die Ausprägung der Jahreszeiten wurde stärker mit einer deutlichen Trockenzeit im Jahresgang.
Die riesigen Wälder veränderten sich komplett: Feuchtigkeit-liebende Pflanzen wurden weitgehend von trockenheitsliebenden Pflanzen verdrängt. Dies führte zu einem Zusammenbruch der weltweiten Wälder und einem daraus resultieren Massenaussterben, dem „Carboniferous Rainforest Collapse“. Die Wälder zerfielen in viele kleine,
isolierte Inseln.
Die Klimaerwärmung dauerte 9 Millionen Jahre. Nach einer kurzen Rückkehr der Eiszeit schmolzen in den darauffolgenden 6 Millionen Jahren die Gletscher weltweit ab und die Regenwälder verschwanden nahezu vollständig. Mit dem Wegfall der Wälder als Kohlenstoffsenken entwickelte sich eine 264 Millionen Jahre lange Phase des Treibhausklimas.
Die Vergangenheit erlaubt uns, aus ihr für die Zukunft zu lernen. Auch heute befinden wir uns mitten in einem Klimawandel und der Entgleisung globaler Klimaprozesse. Da heutige Wälder ähnlich anfällig für Klimaschwankungen sind, kann uns das Karbon als mahnendes Beispiel dienen.
Der größte Teil der weltweiten Kohlevorkommen, in Form von Steinkohle, stammt aus dem Oberkarbon. Auch am Piesberg wurde karbonzeitliche Steinkohle abgebaut. Kohle ist jedoch keine regenerierbare Energiequelle, da ihre Bildung an bestimmt klimatische und geographische Bedingungen geknüpft ist und in einer Geschwindigkeit von Zehner-Millionen Jahren abläuft. Dabei folgt die Entstehung aller kohlenstoffbasierten Energieträger (Kohle, Erdöl, Erdgas) einer Abfolge von Druck- Temperatur- und Zeitbedingungen, der sogenannten Inkohlungsreihe.
Mit dem Karbonwald und der dazugehörigen Klimawand in unserer neuen Dauerausstellung möchten wir einen Blick aus der heutigen Zeit in eine sonst unsichtbare Vergangenheit ermöglichen, um gemeinsam Lösungen für die Herausforderungen der Zukunft zu finden. Zu verstehen, dass die Tier- und Pflanzenwelt des Karbons einem Klimawandel zum Opfer fiel, stimmt nachdenklich. Wir möchten ein Bewusstsein dafür schaffeb, dass durch unseren Umgang mit fossilen Energieträgern der Klimawandel begünstigt wird und unsere heutige Lebenswelt durch den Klimawandel in Gefahr ist.
Die Sigillaria
Die Sigillaria (lat. Siegelbaum) ist eines der größten Pflanzenfossilien weltweit. Sie wurde im Jahr 1886 am Piesberg gefunden und im gleichen Jahr durch den Stahlwerksdirektor und Eisenbahnpionier August Haarmann dem Naturwissenschaftlichen Verein Osnabrück (NVO) übergeben. Ihr Alter beträgt 308 Millionen Jahre, sie stammt damit aus der Zeit des Oberkarbon. Ihren ersten Ausstellungsplatz hatte sie im Hof des damaligen naturkundlichen Museums in der Osnabrücker Altstadt, wo heute die Bischöfliche Kanzlei ansässig ist. Seit dem Jahr 1988 steht sie am Schölerberg.
Zahlen zur Sigillaria
308 Mio.
Jahre alt
3,9t
Gewicht
40m
Höhe
Die Entstehung des Karbonwaldes im Museum am Schölerberg
Der Transport der Sigillaria
Im ersten Schritt führte die Jade Hochschule Oldenburg, Institut für Angewandte Photogrammetrie und Geoinformatik, bereits im Sommer 2020 einen 3D-Scan der Baumwurzel durch. Der Scan sollte die weitere Planung erleichtern.
Konkreter wurde es etwa ein Jahr später, als die Firma Stoppel & Barros Berlin GmbH, Experte für Schwertransporte, nach einer europaweiten Ausschreibung den Auftrag für den Transport erhielt. Allein die präzise Konzeption des Umzugs nahm etwa drei Wochen in Anspruch.
Zwei besondere Herausforderungen gab es: Einen funktionierenden Weg der riesigen Wurzel durch das Foyer mit seinen tragenden, wenige Meter auseinanderstehenden Säulen zu finden. Und: Die Wurzel so zu verstärken, dass sie transportfähig ist.
Der Hintergrund
Bevor der Karbonwald aufgebaut werden konnte, sollte die Wand als Teil des Dioramas bemalt werden. Vier Theater- und Auftragsmaler gestalteten die 90 Quadratmeter große Fläche ohne Vorzeichnung auf Basis des Entwurfes, der zuvor gemeinsam von unseren Biolog:innen und einer Grafikdesignerin erstellt worden ist.
Entstanden ist ein detailgetreues
Panorama, das in der Größe wohl einzigartig für ein deutsches Museum ist.
Der Aufbau
Nachdem die Sigillaria ihren neuen Platz eingenommen hatte und die Wandmalerei abgeschlossen war, konnte mit dem Aufbau des Dioramas begonnen werden.
Die Bäume sind Einzelanfertigungen, die in Thüringen für unseren Karbonwald hergestellt wurden. Ihr Kern besteht aus Leitungs- oder Falzrohren, die Rinde aus Gips, Kunstharz und Kalk-Kasein-Putz.
Der Untergrund des Dioramas, der Waldboden, wurde aus Europaletten, Styropor-Elementen, Glasfaserdecken, Kunstharz, Erde und Naturmoosen hergestellt. Nach dem Boden wurden die in Dänemark gefertigten Tiermodelle im Karbonwald platziert.
Abschließend wurden die am Piesberg gefundenen Fossilien in den Vitrinen platziert und die Augmented Reality Stationen, mit denen die Tierwelt aus der Zeit des Karbons zum Leben erweckt werden.
Berichte
Pädagogische Angebote rund um den Karbonwald
Der Karbonwald wird nicht nur von den Besuchenden der Dauerausstellung entdeckt, sondern wird auch beinahe täglich von Schulklassen und für Kindergeburtstage genutzt.
In den Angeboten „Der Karbonwald – Reise in einen Wald vor unserer Zeit“ und „Ökosystem Wald“ des Umweltbildungszentrums lernen die Teilnehmenden spannende Fakten über die Lebensbedingungen und die Tier- und Pflanzenwelt im Osnabrücker Land vor 300 Millionen Jahren und über die Wichtigkeit von Wäldern in der heutigen Zeit.
Außerdem wird den Teilnehmenden der Zusammenhang zwischen Karbonwald und Klimawandel vermittelt und echte Fossilien vom Osnabrücker Piesberg untersucht und bestimmt.
In der Presse
- Süddeutsche Zeitung, 26.04.2023, „Museum am Schölerberg zeigt neue Schau“ | lesen
- Norddeutscher Rundfunk (TV), 24.04.2023, „Osnabrücker Museum zeigt die Welt von vor 300 Millionen Jahren“ | ansehen
- Neue Osnabrücker Zeitung, 14.03.2023, „Was Osnabrück vom Klimawandel vor 300 Millionen Jahren lernen kann“ | lesen
- Neue Osnabrücker Zeitung, 17.06.2022, „In Bildern: Hier entsteht ein riesiges Wandgemälde im Museum am Schölerberg“ | lesen
- Neue Osnabrücker Zeitung, 08.02.2022, „Fossil Sigillaria hat einen neuen Platz im Museum am Schölerberg“ | lesen